Titel: Die lange Reise
Originaltitel: The Journey
Autorin: Annelie Wendeberg
Seitenzahl: 304
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04762-2
Preis: 8,99 €
Inhalt
1891. Zwar konnte Anna Kronberg ihren Peiniger und Entführer James Moriarty, den Napoleon des Verbrechens, ermorden, doch das macht ihren schlimmsten Alptraum nicht ungeschehen: Sie ist schwanger von ihrem Erzfeind und wird zudem von seinem Handlanger Colonel Sebastian Moran, einem kaltblütigen Mörder mit messerscharfem Verstand, auf Schritt und Tritt verfolgt. Gemeinsam mit Sherlock Holmes befindet sie sich auf der Flucht vor Moran und seinem Gehilfen. Dabei versuchen die beiden herauszufinden welche Pläne Moriarty wirklich mit seinen Biowaffen verfolgte und müssen schon bald zu ihrem Schrecken feststellen, dass alle Indizien auf zukünftige europäische Kriege weisen und diese kaum aufzuhalten sind, da Moriartys Verbündete mit Hochdruck an seinen Plänen weiterarbeiten. Schritt für Schritt entlarven sie diese, um einen baldigen Krieg zu vermeiden.
Eigene Meinung
"Die lange Reise" ist der dritte Fall für Anna Kronberg, die sich als Mann verkleidete, um an der Universität Medizin studieren zu können, da dies zur damaligen Zeit für Frauen strikt untersagt war. Doch ihre Zeiten als international anerkannter Bakteriologe Dr. Anton Kronberg sind vorbei, da sich die schwangere Anna mit Sherlock Holmes auf der Flucht befindet, in der Mission, Moriartys globales Netz an Verbündeten zu entwirren und verhaften zu lassen. Nachdem ich von dem Vorgänger "Tiefer Fall" ziemlich enttäuscht war, bin ich mit Vorsicht an Annelie Wendebergs aktuelles Werk herangegangen, doch diese war unbegründet, denn das Buch hat mich sehr positiv überrascht, weshalb es von mir vier Eier bekommt. In diesem Krimi hat alles gestimmt, von dem kriminalistischen Genie Sherlock Holmes über spannungsgeladene Sequenzen bis hin zu vielen unvorhersehbaren Wendungen, lediglich eine Sache gibt es zu kritisieren und das ist die Protagonistin der Geschichte, Anna Kronberg. Ich habe es wirklich versucht, aber mit ihr kann ich mich einfach nicht anfreunden. Wenn ich gerade der Meinung bin, sie und ihre Beweggründe endlich verstanden zu haben, benimmt sie sich komplett eigenartig oder legt Verhaltensweisen an den Tag, die nicht zu dem Bild passen, das ich mir von ihr auf den letzten Seiten gemacht habe. Dennoch verliert das Buch dadurch seinen Charme nicht, da es immer noch den Meisterdetektiv Sherlock Holmes gibt, der die Leser begeistert. Es ist das erste Mal, seit ich diese Reihe lese, dass ich den Holmes, den ich aus den Erzählungen von Sir Arthur Conan Doyle kenne, in Annelie Wendebergs Geschichte erkannt habe. Sätze wie "Er verschwendet keine Zeit mit sinnlosen Gedanken. Ein bemerkenswerter Mann. Ich bedaure, ihn nicht kennengelernt zu haben." (S. 232) sind einfach typisch Sherlock oder auch seine Entscheidungen im Bezug auf das Einweihen seines engsten Freundes Dr. Watson ob seines vorgetäuschten Todes in den Reichenbachfällen. Generell ist mir in "Die lange Reise" sehr positiv aufgefallen, dass Sherlock Holmes sich nun im Mittelpunkt der Handlungen befindet, selbst agiert und sich nicht mehr aufdiktieren lässt, wie er zu ermitteln hat. Diesen Eindruck erweckte es mir nämlich in den vorherigen Fällen von Anna Kronberg, da Sherlock eher eine unbedeutende Nebenperson war, die genau das tat, was die Bakteriologin ihm befahlt. Außerdem hat mir die Einbettung der Begebenheiten in die originale Geschichte des Kanon, direkt nach den Vorfällen an den Reichenbachfällen, sehr gut gefallen. Dabei wurden die Todesumstände von Moriarty etwas abgewandelt, was aber in keiner Weise negativ zu bewerten ist. Zudem fließen in die Handlung Elemente der tatsächlichen Weltgeschichte mit ein, wodurch das Buch an Komplexität gewinnt und man sich mit den Geschehnissen besser identifizieren kann. Auch die beiden Anhänge sollten an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, da sie ein großer Pluspunkt des Buches sind, da man dort etwas über den Zusammenhang von Dr. Koch, der nach einem Heilmittel für Tuberkulose forschte, und Dr. Doyle mit einem herrlichen Kommentar der Autorin erfährt, sowie einen Überblick über den Bioterrorismus in der Geschichte der Menschheit erhält. Obwohl Anna Kronberg nicht mehr offiziell als Medizinerin tätig ist, lässt sich ihre Berufung in dieser Erzählung dennoch deutlich erkennen, weswegen ich zartbesaiteten Lesern dringend von der Lektüre des Buches abraten würde, denn Körperteile werden bei lebendigem Leibe abgetrennt, worauf eine detaillierte Beschreibung des Prozesses des Verarzten inklusive einer eingehenden Betrachtung der Wunde an sich folgt. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, gerne spannenden Kriminalromane mit historischem Kontext liest, der ist bei Annelie Wendebergs "Die lange Reise" genau an der richtigen Adresse. Es empfiehlt sich jedoch, die anderen Fälle, "Teufelsgrinsen" und "Tiefer Fall" zuvor zu lesen, da es ansonsten zu Verständnisproblemen in Bezug auf die handelnden Personen kommen könnte.
Bewertung
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